14. November 2022
Weltdiabetestag: Dialyse ist kein unabwendbares Schicksal bei Menschen mit Diabetes mellitus!
11.11.2022: 40 Prozent aller Menschen, die an die Dialyse müssen, weil die Nieren nicht mehr arbeiten, haben als Grunderkrankung einen Diabetes mellitus. Eine fortschreitende Nierenkrankheit bis zum Organversagen ist also eine häufige Begleiterscheinung und Folge von Diabetes.
Der Verlust der Nierenerkrankung kann aber mit neuen Medikamenten verlangsamt werden, so dass vielen die Dialyse über eine lange Zeit erspart bleibt. Die aktuell publizierte Leitlinie der „KDIGO“ empfiehlt den Einsatz dieser Medikamente. Wichtig ist, dass das Nierenleiden früh erkannt und behandelt wird. Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie möchte am Weltdiabetestag Menschen mit Diabetes für das Thema „Niere“ sensibilisieren.
Etwa 90.000 Menschen sind in Deutschland auf eine regelmäßige Dialysebehandlung angewiesen, da ihre Nieren nicht mehr arbeiten. Grund sind oft Gefäßschäden – und diese können auch in Folge von Diabetes mellitus entstehen. Menschen mit Diabetes mellitus sind daher sehr gefährdet, eine chronische Nierenkrankheit zu entwickeln. Gerade für sie als Patientinnen und Patienten mit einem hohen „Nierenrisiko“ ist der Blick auf die Nieren und ein „nierengesunder“ Lebensstil wichtig: Alles, was die Gefäße schützt, schützt auch die Nieren: Ein normaler Blutzuckerspiegel, ein normaler Blutdruck, normale Blutfettwerte und Nichtrauchen.
Doch trotz dieser Präventionsmaßnahmen lässt sich eine Nierenkrankheit bei Menschen mit Diabetes mellitus oft nicht abwenden. Früher standen nur wenige Therapieoptionen zur Verfügung, die das Fortschreiten der Nierenkrankheit verlangsamten: Im Wesentlichen waren das die medikamentöse Blutdrucksenkung sowie diätetische Maßnahmen. Seit geraumer Zeit hat sich das Armamentarium erweitert: Zwei neue Substanzklassen stehen zur Verfügung:
SGLT-2-Hemmer sind selektive Hemmer des Natrium-Glukose-Cotransporters-2 (SGLT2; auch „Gliflozine“). Sie hemmen die Glukose-Rückresorption in den Nierentubuli, was zur verstärkten Ausscheidung von Glukose mit dem Urin führt; der Blutzuckerspiegel sinkt. Die Substanzen wurden als orale Antidiabetika entwickelt, es zeigte sich aber, dass sie auch positive Effekte auf Herz und Nieren haben. Verschiedene Studien [1, 2, 3] haben eindrucksvoll gezeigt, dass sie das Fortschreiten des Nierenfunktionsverlusts signifikant verlangsamen können. In der aktuellen Leitlinie der „Kidney Disease: Improving Global Outcomes“-Initiative (KDIGO) [4], die Anfang November publiziert wurde, wird der Einsatz dieser Medikamente bei allen Menschen mit Diabetes mellitus und chronischer Nierenkrankheit empfohlen – Voraussetzung ist aber, dass die Nierenfunktion noch bei über 20 ml/min/1.73 m2 liegt. Im Klartext heißt das, dass die Nierenkrankheit noch nicht im „Endstadium“, also sehr weit fortgeschritten, sein darf.
Ebenfalls wirksam in der Verhinderung der Progression der diabetischen Nierenkrankheit ist ein neuartiger, nicht-steroidaler, selektiver Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonist, wie die FIDELIO-Studie [5] gezeigt hat. Die KDIGO-Leitlinie empfiehlt den Einsatz dieser Substanzklasse bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus und einer Albuminurie (Eiweiß im Urin/bei einem Albumin-Kreatinin-Quotienten (ACR) ≥30 mg/g). Ein hoher Eiweißgehalt im Urin deutet darauf, dass die Filterfunktion der Niere nicht mehr gut ist, weil sie „wertvolles“ Eiweiß ausscheidet. Er ist auch ein Risikofaktor für einen schnellen, weiteren Nierenfunktionsverlust.
„Wir haben nun zwei Substanzklassen, die den Nierenfunktionsverlust deutlich verlangsamen und vielen Betroffenen die Dialyse wahrscheinlich ganz ersparen können, aber sie müssen rechtzeitig zum Einsatz kommen. Das bedeutet, dass die Betroffenen rechtzeitig von einer Nephrologin/einem Nephrologen mitbetreut werden müssen, und wir hoffen, dass die Interdisziplinarität auch im klinischen Alltag gelebt wird“, erklärt Prof. Dr. Julia Weinmann-Menke, Mainz, Pressesprecherin der DGfN. Denn die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), die DGfN und der VLKN (Verband der Leitenden Krankenhausärztinnen/-ärzte in der Nephrologie) haben bereits 2020 in einem gemeinsamen Positionspapier definiert, wann eine Mitbetreuung durch eine Nephrologin/einen Nephrologen erfolgen sollte: „Kriterien zur Vorstellung des Menschen mit Diabetes mellitus beim Nephrologen sind beispielsweise: neuer oder deutlicher eGFR-Abfall, eGFR ≤60 ml/min/1,73 m², Erythrozyturie oder eine Albuminurie Grad 2 oder 3“