7. Jänner 2020
Alzheimer: Mit neuer Ultraschall-Methode die Gehirnleistung deutlich verbessern
Bei neurologischen Erkrankungen wie der Alzheimer Demenz, der Parkinson-Krankheit oder der Multiplen Sklerose, gehen ständig Nervenzellen des Gehirns zugrunde, dadurch kommt es zum Beispiel zu Erinnerungslücken, Sprachstörungen, Stimmungsschwankungen oder reduzierter Bewegungsfähigkeit sowie dem Muskelzittern bei Parkinson.
(ANÖ/OTS). Nach 6-jähriger Entwicklungszeit haben ForscherInnen der MedUni Wien von der Universitätsklinik für Neurologie (Leiter: Thomas Berger) unter Leitung von Roland Beisteiner jetzt eine weltweit neue Therapiemethode entwickelt. Erstmals kann man mit Hilfe von Ultraschall nicht-invasiv in alle Bereiche des Gehirns eindringen und jene Nervenzellen aktivieren, die zur Regeneration von Hirnfunktionen beitragen können. Erste international prominent publizierte Daten zeigen, dass sich dadurch die Leistung des Gehirns verbessern lässt. Wien hat damit in einem wichtigen Krankheitssektor eine internationale Führungsposition übernommen.
Die neue Methode nennt sich transkranielle Pulsstimulation mit Ultraschall (TPS) und wurde gemeinsam mit dem Schweizer Unternehmenspartner Storz Medical und dem dortigen Projektleiter Ernst Marlinghaus neu entwickelt. „Die TPS macht es weltweit erstmalig möglich, mit einem Ultraschall-Puls direkt am Schädelknochen, nicht-invasiv, schmerzfrei und bei vollem Bewusstsein in alle Bereiche des Gehirns vorzudringen und dort ganz gezielt Hirn-Areale anzusteuern und diese zu aktivieren“, erklärt Beisteiner. Die Studie war Teil des interuniversitären Clusters von Roland Beisteiner und Tecumseh Fitch, welcher über Hirnstimulation versucht, geistige Funktionen von PatientInnen zu verbessern, und gemeinsam von MedUni Wien und Universität Wien betrieben wird. Hierfür muss individuell und mit hoher Präzision vorgegangen werden.
Mit den bisher zur Verfügung stehenden elektromagnetischen Methoden, wie z.B. der transkraniellen Magnetstimulation (TMS), bei der Magnetfelder auf das Gehirn wirken, um Nervenzellen zu aktivieren oder auch zu hemmen, war die notwendige gezielte und tiefgehende Stimulation aber nicht möglich. Eine zunehmend verwendete invasive Methode bei schwereren Erkrankungen ist das Einsetzen von Stimulationselektroden in tiefe Hirnareale (Deep Brain Stimulation (DBS)) – verbunden mit einer langwierigen Operation. Eine große Hoffnung ist, dass TPS auch invasive Verfahren in Zukunft teilweise ersetzen kann.
TPS: Präzisionsmedizin im Gehirn
Der Aktivierungspuls, der vom Ultraschallgerät ausgeht, ist drei bis fünf Millimeter breit und ca. drei Zentimeter lang. Zuvor wird vom Gehirn der/des Betroffenen mittels Magnetresonanz eine exakte „Landkarte“ erstellt. „Ganz im Sinn der Präzisionsmedizin wird dann jenes Areal punktgenau anvisiert, das aktiviert werden muss. Bei jedem Patienten können diese Areale anders liegen. Dank eines Navigationssystems kann der behandelnde Neurologe am Bildschirm genau mitverfolgen, wo der Puls ansetzen muss und alles genau steuern“, sagt Beisteiner.
Der TPS Puls führt zu kurzfristigen Membranveränderungen an den Hirnzellen, wodurch die Konzentration von Transmittern und anderen biochemischen Stoffen lokal verändert wird. Die Konsequenz ist eine Aktivierung von Nervenzellen und Aufbau kompensatorischer Netzwerke, welche die erkrankte Hirnfunktion verbessern. Dies konnte in umfangreichen Laborstudien gezeigt werden. Die Folge: Das Gedächtnisnetzwerk wird angetrieben und die Gedächtnisleistung steigt. Einige PatientInnen berichten auch von deutlicher Stimmungsverbesserung, es fällt ihnen wieder leichter, körperlich aktiv zu sein und sich an Unterhaltungen aktiv zu beteiligen.
Beisteiner: „Es ist, als ob man einen alten Motor wieder anwirft. Jene Nervenzellen, die noch aktivierbar sind, zeigen danach deutliche Verbesserungen. Dadurch wird der Leistungsabfall gebremst.“ Neben Alzheimer, Parkinson oder Multipler Sklerose sind alle Erkrankungen, welche sich durch Aktivierung noch funktionierender Nervenzellen verbessern lassen, mögliche Einsatzbereiche von TPS. Gleichzeitig ist die TPS eine „Zusatzchance“ für die Betroffenen, so Beisteiner, da alle laufenden Therapien mit Medikamenten und Physio- oder Ergotherapie weitergeführt werden können. Die neue Methode ist aber auch für die neurowissenschaftliche Grundlagenforschung bedeutsam.
Für die Verbesserungen der Gehirnleistung reichten in der klinischen Pilotstudie, die nun vom renommierten Top-Journal Advanced Science als Cover-Artikel veröffentlicht wurde, sechs Sitzungen zu je einer Stunde und das im Verlauf von zwei Wochen. Sollten sich die Pilotergebnisse bestätigen, gehen führende klinische NeurowissenschafterInnen von einem Durchbruch bei Behandlungsmöglichkeiten für Hirnerkrankungen aus. Bevor diese Methode aber in den regulären Einsatz in der Klinik gelangen kann, sind weitere wissenschaftliche Studien zur Evaluierung der Ergebnisse notwendig. „Dafür suchen wir noch ProbandInnen, die Alzheimer- oder Parkinson-Diagnosen aber sonst keine Hirnerkrankungen haben“, sagt Beisteiner (Anfragen möglich ab 7.1.2020 unter 01-40400-34080).