Der Mensch ist nach buddhistischer Auffassung eine Einheit geistiger und physischer Faktoren, wobei keinem dieser Faktoren die Rolle eines „Persönlichkeitskerns“ oder einer unveränderlichen Seele zugewiesen werden kann.
Der Tod ist nach diesem Verständnis nicht der Eintritt eines bestimmten Ereignisses – etwa der Ausfall eines bestimmten Organs – sondern wird prozesshaft begriffen als die allmähliche Auflösung der Einheit, die die Person ausmacht. Dieser Sterbeprozess geht über die Feststellung des Hirntodes hinaus. Tot ist der Mensch demnach erst, wenn das Bewusstsein vollständig den Körper verlassen hat und in eine neue Existenz eingetreten ist, sei es wie im Theravada Buddhismus erklärt wird, in einem neuen Leben oder auf einer anderen Existenzebene, oder wie alle anderen Traditionen beschreiben, in einem Zwischenzustand, der dann zu einer erneuten Existenz führt.
Nach buddhistischer Lehre kann der Mensch die Befreiung (Erleuchtung) aus dem Leidenskreislauf von Geburt und Tod noch im Verlauf dieses Sterbeprozesses erlangen. Da ein hirntoter Mensch dementsprechend als ein sterbender Mensch begriffen wird, stellt eine Organentnahme einen Eingriff in den Sterbevorgang dar. In traditionell-buddhistischen Ländern wird daher in der Regel großer Wert darauf gelegt, diese Erfahrung des Sterbeprozesses zeitlich weit über das Verlöschen wahrnehmbarer körperlicher Funktionen hinaus möglichst frei von jeglichen störenden Einflüssen zu halten, um die Möglichkeit, Erleuchtung zu erlangen, nicht zu verhindern.
Andererseits stellt eine bewusste Entscheidung für eine Organspende einen Akt tätigen Mitgefühls dar, durch den Leiden gelindert und ein Menschenleben gerettet werden kann. Das Spenden von Organen kann sich zudem positiv auf die nächste Existenz auswirken. Voraussetzung dafür ist die intensive persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben und ein im Bewusstsein der Konsequenzen gefasster, freiwilliger und vorbehaltloser Entschluss. Es ist eine Entscheidung, die jeder Buddhist nur für sich persönlich treffen kann, denn im Buddhismus gibt es keine Autorität, die vorschreibt, was zu tun ist. Fehlt eine eindeutige Willensäußerung, sollte nach Auffassung der buddhistischen Anhängerinnen und Anhänger in Deutschland den Angehörigen einer potenziellen Organspenderin oder eines potentiellen Organspenders eine stellvertretende Einwilligung in eine Organentnahme nicht empfohlen werden.
Der 14. Dalia Lama und Friedensnobelpreisträger spricht sich für die Organspende aus
Der Dalai Lama hat zu Organspenden für leidende Mitmenschen aufgerufen. «Ich ermutige die Menschen, das zu tun», sagte das geistige und politische Oberhaupt der Tibeter im Rahmen seiner buddhistischen Vorträge in Hamburg 2007. Dabei sollten die Menschen nicht nur zu Organspenden für Angehörige bereit sein, sondern aus tiefem Mitgefühl heraus auch für Fremde. «Organspenden würde ich in jeder Form befürworten», sagte der Dalai Lama. Sie sollten allerdings auf Freiwilligkeit beruhen.