17. Mai 2018
Gesundheitsberufe: Kostendämpfungspfad deckelt auch die Qualität – nicht nur die Kosten
Ärzte- und Arbeiterkammer Niederösterreich fordern am 8. Tag der Gesundheitsberufe Qualitätsbewusstsein ein
St. Pölten (OTS) – „Bis zu 400 Euro Gehaltsunterschied für die gleiche Pflegearbeit zwischen Beschäftigung in den mobilen Diensten und in Krankenhäusern, das versteht niemand mehr“, betonte AK-Vizepräsidentin DMTF Gerda Schilcher heute beim 8. Tag der Gesundheitsberufe in St. Pölten und forderte ein Umdenken in der Politik. „Die Sicherung der Qualität für die Patientinnen und Patienten, die beste Pflege- und Gesundheitsversorgung müssen oberste Priorität haben. Leider wollen Bund und Länder stattdessen an der Kostenschraube drehen und versuchen, die Pflege billiger zu machen. Eine alternde Gesellschaft braucht genau das Gegenteil: eine Qualitätsoffensive, eine bessere Personalausstattung und mehr qualifizierte Pflege- und Gesundheitsberufe.“
Auch der Vizepräsident der Niederösterreichischen Ärztekammer und Kurienobmann der angestellten Ärzte, OA Dr. Ronald Gallob, warnte vor Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen: „Österreich ist ein Staat, der sich glücklicherweise ein hoch entwickeltes Versorgungs- und Betreuungssystem leisten kann. Ich hoffe, dass man sich dieses auch in Zukunft noch leisten will. Falls das nicht der Fall sein sollte, muss es die Politik den Menschen klar und deutlich sagen.“
„Für jemanden Pflegebedürftigen darf es keine Rolle spielen, wo er untergebracht ist, in welchem Bundesland und ob in einem Landespflegeheim oder in einer privaten Einrichtung. Das ist derzeit nicht der Fall. Es darf doch nicht vom Zufall abhängen, ob Betroffene bei einer Einrichtung oder Organisation landen, die sehr gut, gut oder mittelmäßig mit qualifiziertem Personal ausgestattet ist“, sagte Dr. Bernhard Rupp, MBA, Gesundheitsexperte der niederösterreichischen Arbeiterkammer. „Es war von Anfang problematisch, dass die Länder die ureigene Aufgabe der Daseinsvorsorge, nämlich die Langzeitpflege, vor einem halben Jahrhundert – aus Kostengründen – ausgegliedert haben. Auch wenn sich die Hilfsorganisationen sehr bemühen und mittlerweile unschätzbare Dienste in der Alten- und Behindertenbetreuung leisten, sie müssen mit dem Budget auskommen, das sie von den Ländern zugestanden bekommen. Und das ist chronisch zu wenig.“
Arbeitsüberlastung: Bedarf an Reha-Aufenthalten hat sich in zehn Jahren verdoppelt
„Neben den Einkommensunterschieden wirken sich auch die belastenden Arbeitsbedingungen negativ auf das Image der Gesundheitsberufe aus – die Pflegeschulen haben österreichweit Mühe, die Schulklassen zu füllen, der Pflegenotstand ist daher vorprogrammiert und das in einer „Wachstumsbranche“ als die der Gesundheitssektor mittlerweile von ÖkonomInnen bezeichnet wird“, wunderte sich Rupp.
Nicht nur im Pflegebereich auch in der Ärzteschaft nimmt die Arbeitsüberlastung stetig zu. „Die Spitalsärztinnen und -ärzte in den NÖ Landeskliniken sind mit einer Fülle von Problemen konfrontiert. Eines entsteht durch die Patientenströme, die sich in den letzten Jahren immer stärker weg von den niedergelassenen Ärzten hinein in die Krankenhäuser verlagert haben. Doch obwohl wir bei der Fläche des Landes Niederösterreich jedes einzelne Klinikum dringend benötigen, wurden so manche Kompetenzen und Leistungen von kleineren Kliniken in größere verlagert. Immer wieder werden ‚Zusperrdebatten‘ geführt, die Ärztinnen und Ärzten suggerieren, Strukturmängel und Überlastung akzeptieren zu müssen, da der Abteilung ansonsten die Schließung drohe“, erläuterte Gallob und forderte: „Die Politik muss in Niederösterreich ein qualitativ hochwertiges Gesundheitssystem erhalten und die Arbeitsbedingungen der Menschen, die in diesem Bereich beschäftigt sind, endlich verbessern.“
Ass.-Prof. DDr.in Daniela Haluza von der Medizinischen Universität Wien zeigte den Zusammenhang zwischen langen und überlangen Arbeitstagen und Erschöpfungszuständen auf: „Ab der 11. Arbeitsstunde schnellen die gesundheitlich negativen Auswirkungen wie chronische Müdigkeit, depressive Zustände, innere Unruhe, sexuelle Unzufriedenheit, verbunden mit körperlichen Schmerzen in die Höhe. Nach zwei 12-Stunden-Tagen müssten mindestens drei freie Tage folgen, um die notwendige Erholung sicherzustellen“, meinte die Expertin.
Wie ernst es um die kranke und erschöpfte Arbeitsgesellschaft steht, sieht man daran, dass sich der Bedarf der Beschäftigten nach Reha-Maßnahmen laut Pensionsversicherung in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt und die Zahl der Personen in Reha-Maßnahmen von 34.835 im Jahre 2004 auf 98.627 im Jahre 2015 erhöht hat.