ANÖ Beitrag

15. Dezember 2022

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Nationalrat: Ausweitung des E-Rezepts und Einführung des Fachzahnarztes für Kieferorthopädie beschlossen

Zahlreiche COVID-19-Bestimmungen werden bis Mitte nächsten Jahres verlängert

(Wien/PK) – Das E-Rezept wird in Österreich seit Juli 2022 flächendeckend eingesetzt und hat somit die Papierform abgelöst. Nunmehr sollen die Nutzungsmöglichkeiten ausgebaut und der Anwendungsbereich auf Privatrezepte erweitert werden. Davon umfasst sind zum Beispiel von Gynäkolog:innen verschriebene hormonelle Verhütungsmittel, die nicht auf Rechnung des Krankenversicherungsträgers bezogen werden. Die entsprechende Änderung im ASVG wurde heute im Nationalrat mehrheitlich beschlossen.

Einstimmig sprachen sich die Abgeordneten auch für die Etablierung des Fachzahnarztes bzw. der Fachzahnärztin für Kieferorthopädie aus. Das Berufsbild wird nun endgültig auch in Österreich ab September 2023 eingeführt. Die ursprüngliche Regierungsvorlage passierte schon einmal unter Zustimmung aller Fraktionen das Parlament, scheiterte aber letztendlich am Einspruch der Bundesländer Wien, Burgenland und Kärnten, die das Inkrafttreten verhinderten. Stein des Anstoßes waren die Bestimmungen über die Genehmigung von kieferorthopädischen Lehrpraxen durch die Zahnärztekammer, die im Antrag der Regierungsfraktionen nun nicht mehr enthalten sind. Mehrheitliche Unterstützung fand die Novelle zum Ärztegesetz, die nicht nur Verbesserungen bei der grenzüberschreitenden notärztlichen Versorgung bringt, sondern auch umfangreiche Änderungen im ärztlichen Ausbildungswesen enthält.

Weiters auf der Agenda standen die Verlängerung der Geltungsdauer zahlreicher COVID-19-Bestimmungen in insgesamt zwölf Gesetzesmaterien, die mehrheitlich angenommen wurden. Diese betrafen unter anderem die Ausnahmeregelungen bezüglich der Verwendung von sogenannten Fernrezepten in Apotheken, der Verschreibung von Suchtgiftrezepten oder der Betreuung von Menschen mit Behinderung.

E-Rezept künftig auch bei Privatrezepten möglich

Das E-Rezept ist Teil des elektronischen Verwaltungssystems der gesetzlichen Sozialversicherung (ELSY) und bildet den krankenversicherungsrechtlichen Prozess von der Verschreibung von Heilmitteln über deren Abgabe bis zur Abrechnung umfassend ab. Bisher war dessen Einsatz nur für Sozialversicherungszwecke, z.B. die Verschreibung von Arzneimitteln und Heilmitteln, welche auf Kosten der Krankenversicherungsträger abgegeben werden, zulässig. Mit der von ÖVP und Grünen vorgeschlagenen Änderung des ASVG kommt es nun zu einer Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten. In Hinkunft können nämlich auch Heilmittel verschrieben werden, die nicht auf Rechnung des Krankenversicherungsträgers bezogen werden (z.B. hormonelle Verhütungsmittel). Diese Möglichkeit sollen auch Mitglieder von Krankenfürsorgeanstalten in Anspruch nehmen können. Außerdem wird in der Begründung des Antrags darauf hingewiesen, dass Rezepte für Heilmittel, die nicht im Rahmen einer Krankenbehandlung verschrieben werden, ohne Papierrezept eingelöst werden können.

Die Ausweitung des E-Rezepts sei ein Vorteil für die Patient:innen und deswegen unterstützenswert, meinten Martina Diesner-Wais (ÖVP) und Dietmar Keck (SPÖ). Es sei eine Erleichterung und eine Aufwertung des E-Rezepts, begrüßte auch Ralph Schallmeiner (Grüne) den Antrag. Die Pandemie habe das E-Rezept gebracht und die Digitalisierung voran getrieben, nun brauche es weitere Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitssystems, forderte Fiona Fiedler (NEOS).

Einführung des Fachzahnarztes bzw. der Fachzahnärztin für Kieferorthopädie ab September 2023

ÖVP und Grüne haben erneut einen Antrag zur Einführung des Fachzahnarztes bzw. der Fachzahnärztin für Kieferorthopädie vorgelegt, wobei die zentralen Inhalte der ursprünglichen Vorlage unverändert bleiben. Im Konkreten geht es um die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Ausbildung und die Etablierung einer speziellen Berufsbezeichnung im Zahnärztegesetz sowie parallel dazu um die Verankerung der in diesem Zusammenhang anfallenden neuen Aufgaben der berufsrechtlichen Kammer im Zahnärztekammergesetz. Österreich gehört nämlich bis dato zu den wenigen Ländern in der EU, in denen der Beruf des Fachzahnarztes bzw. der Fachzahnärztin für Kieferorthopädie noch nicht gemäß den europarechtlichen Vorgaben geregelt ist. In Kraft treten sollen die neuen Bestimmungen nun ein Jahr später als geplant, nämlich am 1. September 2023. Als Qualifikationsnachweis gilt in Hinkunft der Abschluss einer postpromotionellen fachzahnärztlichen Ausbildung in der Kieferorthopädie, die ein theoretisches und praktisches Studium in Form eines zumindest dreijährigen Universitätslehrgangs auf Vollzeitbasis umfasst.

Ralph Schallmeiner (Grüne) erinnerte an die schwierige Historie der Gesetzwerdung, die aufzeige, wie kleinteilig das österreichische Gesundheitswesen sei und welche Eigeninteressen von manchen Playern oft verfolgt würden. Die Einführung des Fachzahnarztes bzw. der Fachzahnärztin für Kieferorthopädie müsse heute daher erneut beschlossen werden. Nachdem in Absprache mit den Bundesländern entsprechende Adaptierungen vorgenommen worden waren, solle der Umsetzung nichts mehr im Wege stehen. Positiv beurteilt wurde das Gesetz auch von den Vertreter:innen von SPÖ, FPÖ und NEOS. Es solle aber zumindest die Lehre daraus gezogen werden, dass Begutachtungsverfahren und Beteiligungsprozesse im parlamentarischen Verfahren wichtig seien, urgierte Fiona Fiedler (NEOS).

Opposition kritisiert Vorgangsweise bei umfassender Novellierung des Ärztegesetzes

Laut einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs gehen die maßgeblichen behördlichen Zuständigkeiten im ärztlichen Ausbildungsstättenrecht ab dem 1. Jänner 2023 von der Ärztekammer auf die Landeshauptleute über. Um dafür noch rechtzeitig die legistischen Grundlagen zu schaffen, brachten ÖVP und Grüne im Gesundheitsausschuss einen umfassenden Abänderungsantrag zum Ärztegesetz ein. Zunächst stand nur die Erleichterung grenzüberschreitender ärztlicher Einsätze von organisierten Notarztdiensten sowie Not- und Bereitschaftsdiensten im Fokus des Gesetzesantrags . Diese Einsätze sollen ab 1. Jänner 2023 nicht mehr den Regelungen über den Dienstleistungsverkehr unterliegen, weil damit eine jährliche Anmeldepflicht bei der österreichischen Ärztekammer, die Vorlage bestimmter Nachweise sowie eine Grobüberprüfung durch die Ärztekammer verbunden sind. Durch die Anwendung des vereinfachten Reglements für Ärzt:innen mit ausländischem Berufssitz oder Dienstort werde auf bestehende Vollzugsprobleme in der Praxis vor allem in den Bundesländern Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg reagiert, lautete die Begründung.

In dem gesamtändernden Abänderungsantrag zum Ärztegesetz wird darauf verwiesen, dass die neuen Regelungen im Besonderen der Sicherstellung einer geordneten und transparenten Vollziehung dienen und auf den wesentlichen Verhandlungsergebnissen zwischen den Stakeholdern (Gesundheitsministerium, Länder und Österreichische Ärztekammer) beruhen. Der Antrag enthält detaillierte Regelungen bezüglich der Voraussetzungen zur Anerkennung als Ausbildungsstätte, der Einsetzung einer Kommission für die ärztliche Ausbildung, der vorgesehenen anlass- und stichprobenbezogenen Visitationen durch die Landeshauptleute oder der Informationspflichten der Ärztekammer bezüglich der Ausbildungsstellen („Ausbildungstellenverwaltung“). Ein konkreter Punkt ist etwa, dass die Ausbildung in Lehrpraxen, Lehrgruppenpraxen und Lehrambulatorien für Fachärzt:innen sowohl in der Sonderfach-Grundausbildung als auch in der Sonderfach-Schwerpunktausbildung auf 24 Monate verlängert wird.

Rudolf Silvan (SPÖ) übte massive Kritik daran, dass der knapp 40-seitige Abänderungsantrag den Oppositionsparteien nur einige Stunden vor der Sitzung des Gesundheitsausschusses übermittelt wurde. So eine wichtige Materie ohne Begutachtung „durchzupeitschen“, halte er für fahrlässig. Generell zeigte er sich besorgt über „Privatisierungstendenzen“ im heimischen Gesundheitswesen. Erst kürzlich habe ein Bericht des Salzburger Rechnungshofs aufgezeigt, dass Patient:innen auf Kosten der öffentlichen Hand in ein Privatspital gebracht würden. Außerdem sollen dort in öffentlichen Spitälern angestellte Ärzt:innen während ihrer normalen Arbeitszeit tätig gewesen sein und zusätzliche Honorare verrechnet haben. Philip Kucher (SPÖ) appellierte erneut, die Studienplätze für Medizin deutlich zu erhöhen. Er hoffe grundsätzlich, dass die vielen Vorschläge der Opposition, die meistens nur vertagt würden, von den Regierungsfraktionen seriöser behandelt werden.

Auch FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak zeigte kein Verständnis für die Vorgangsweise bei der Umsetzung der Ärztegesetznovelle und meldete auch einige inhaltliche Bedenken an. Er befürchtete etwa, dass der Spielraum für die Bundesländer bezüglich der Auslegung einzelner Regelungen nach wie vor zu groß sei. Es sei daher mit einem „Wildwuchs“ zu rechnen, der nicht zu einer Erhöhung der Qualitätssicherheit beitragen werde.

Fiona Fiedler (NEOS) begrüßte zwar die vorgeschlagenen Änderungen als Schritte in die richtige Richtung, beklagte aber ebenso einen intransparenten Gesetzwerdungsprozess. Unter Bezugnahme auf einen Antrag ihrer Fraktion machte sie sich zudem für eine bessere Steuerung der medizinischen Fachrichtungen stark.

Ralph Schallmeiner (Grüne) räumte ein, dass der Abänderungsantrag relativ kurzfristig vorgelegt wurde. Er gab allerdings zu bedenken, dass die Verhandlungen bis zum Schluss nicht ganz einfach gewesen seien und die Regelungen sehr detailliert formuliert werden mussten.

Abgeordneter Werner Saxinger (ÖVP) hob vor allem die Verbesserungen bei der grenzüberschreitenden notärztlichen Versorgung hervor. Weniger Freude habe er mit der Änderung bezüglich der Bewilligung der ärztlichen Ausbildungsstellen, da diese Kompetenz ab 2023 in den Händen der Länder liegen werde. Dies halte er für problematisch, da bei den zuständigen Behörden weder eine ausreichende fachliche noch personelle Expertise vorhanden sei. Positiv zu erwähnen sei jedoch, dass in Zukunft die Ausbildung in Lehrpraxen und Lehrambulatorien möglich sei, wodurch die Versorgung in sogenannten Mangelfächern verbessert werden könne. Aufgehoben werden zudem die Sonderfachbeschränkungen für die Durchführung von Impfungen. So können z. B. in Hinkunft Kinderärzt:innen auch die Eltern, die üblicherweise bei der Behandlung der Kinder vor Ort sind, mitgeimpft werden.

Verlängerung des COVID-19-Lagergesetzes sowie zahlreicher Corona-Bestimmungen in verschiedenen Gesetzesmaterien

Da das COVID-19-Lagergesetz Ende des Jahres außer Kraft tritt, würde es danach trotz eines Andauerns der Pandemie keine Rechtsgrundlage mehr zur Bewirtschaftung des Bundeslagers geben, heißt es in einem Initiativantrag der Regierungsparteien. Um auch weiterhin einen Notvorrat an Schutzausrüstungen und medizinischen Produkten verfügbar zu haben, soll das COVID-19-Lagergesetz bis 30. Juni 2023 verlängert werden. Damit soll gewährleistet werden, dass etwaige Engpässe oder Bedarfsspitzen für einen bestimmten Zeitraum ausgeglichen werden können. Die unentgeltliche Abgabe von nicht mehr benötigten Gütern soll zudem auf weitere Einrichtungen (z. B. NGOs, Krankenanstalten, Sozialorganisationen) ausgedehnt werden, damit möglichst keine Waren vernichtet werden müssen.

Aufgrund des Fortdauerns der Pandemie soll zudem die Geltungsdauer zahlreicher Bestimmungen in verschiedenen Gesundheitsgesetzen bis Ende Juni 2023 verlängert werden. Davon umfasst sind laut ÖVP-Grünen-Antrag unter anderem die Berechtigung für Ärzt:innen zur Durchführung von Impfungen gegen SARS-CoV-2 und von Tests auch bei symptomlosen Personen, die Abgabe von kostenlosen Antigentests durch Apotheken, die Möglichkeit zur Freistellung aufgrund eines COVID-19-Attests, diverse Regelungen bezüglich der Abgeltung von Leistungen sowie die Geltendmachung von Zweckzuschüssen durch Länder und Gemeinden (z.B. Ausgaben für Gesundheitsberatung, Impfstellen etc.). Weitere Änderungen sollen den Spielraum des Ministers bei der Verfügung über COVID-19-Impfstoffe vergrößern sowie die zentrale Beschaffung von COVID-19-Arzneimitteln ermöglichen.

Zu zusätzlichen Anpassungen kommt es im Gesundheitstelematikgesetz vor. Von der bis Mitte 2023 ausgedehnten Möglichkeit für Apotheken, sogenannte Fernrezepte zu nutzen, werden vor allem Menschen in Alten- und Pflegeheimen sowie die mobile Pflege profitieren. Ohne diese Änderung könnte es nämlich dazu kommen, dass das Pflegepersonal in den Heimen ab dem 1. Jänner 2023 die E-Cards bei jedem einzelnen Bewohner einsammeln und nach der Abholung des Medikaments in der Apotheke wieder an diese retournieren müsse. Eine weitere Verlängerung betrifft die Ausnahmebestimmung, Gesundheitsdaten im Zusammenhang mit Suchtgiftrezeptenper Mail übermitteln zu können. Dadurch soll eine möglichst patientenfreundliche Übergangslösung bis zur vollständigen Umstellung auf einen (ausschließlich) elektronischen Prozess im Bereich der Verschreibung suchtgifthaltiger Arzneimittel ermöglicht werden.

Durch die Änderung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes sollen während der Pandemie geschaffene Ausnahmebestimmungen hinsichtlich der Betreuung von Menschen mit Behinderung, die zur Entspannung der Personalsituation einen Beitrag leisten, um ein halbes Jahr länger bis 30. Juni 2023 gelten. Bis zu diesem Zeitpunkt soll somit die Durchführung unterstützender Tätigkeiten bei der Basisversorgung auch ohne Absolvierung des entsprechenden Ausbildungsmoduls möglich sein. Weiters soll die vorübergehende Aussetzung der Fünfjahresfrist für die Absolvierung einer Sonderausbildung gemäß GuKG aufrecht bleiben.

Er sei bestrebt, den Übergang von der Pandemie in den Normalzustand ehestmöglich zu gestalten, erklärte Gesundheitsminister Johannes Rauch. Über den Winter brauche es aber Vorsichtsmaßnahmen, um gegebenenfalls reagieren zu können. Aktuell habe man die 3G-Beschränkungen in Krankenhäusern sowie in Alten- und Pflegeheimen abgeschafft. Derzeit arbeite das Ressort an einem Pandemieplan und an einem neuen Epidemiegesetz, berichtete Rauch.

Die Pandemie gehe in einen endemischen Zustand über, die Bundesregierung treffe aber im Hintergrund Regelungen für den Bedarfsfall, erklärten Michael Hammer (ÖVP) und Martina Diesner-Wais (ÖVP).

Die Freistellung aufgrund eines COVID-19-Risikoattests sollte ins Dauerrecht übernommen werden, forderte Dietmar Keck (SPÖ). Die Ausnahmebestimmungen hinsichtlich der Betreuung von Menschen mit Behinderung seien angesichts des Personalmangels sinnvoll. Die Pandemie sei gekommen, um zu bleiben, es sei aber ein Status eingetreten, bei dem man wieder in den Normalbetrieb zurück gehen und gleichzeitig Vorsichtsmaßnahmen setzen sollte, meinte Christian Drobits (SPÖ).

Es sei definitiv bereits ein endemischer Zustand eingetreten, erklärte Gerhard Kaniak (FPÖ). Deswegen sei es höchste Zeit, das Corona-Gesundheitsmanagement in das Regelsystem zu überführen und wie jede andere Infektionskrankheit abdecken zu lassen. Trotz eines sehr hohen Lagerstands an Impfstoffen würden weitere mit hohen Kosten beschafft und gleichzeitig gelagerte verschenkt, kritisierte Gerald Hauser (FPÖ), der abermals eine Offenlegung der Vertragsinhalte der Impfstoffbeschaffungen forderte.

Es gebe viele Hinweise, dass die Pandemie 2023 in eine endemische Phase übergehen werde, erklärte Ralph Schallmeiner (Grüne). Das Virus habe sich so verändert, dass das Gesundheitssystem damit umgehen könne. Nichtsdestotrotz sollte man Vorsicht walten lassen, begründete Schallmeiner die Verlängerung der Maßnahmen.

Mit den Regelungen werde die Pandemie verlängert und es würden weitere Kosten in Millionenhöhe entstehen, kritisierte Fiona Fiedler (NEOS).