27. April 2018
Deutschland braucht eine Kultur für Heimdialyse
Der 12. Kölner KfH-Heimdialysekongress war mit rund 300 Teilnehmern ausgebucht.
Neu-Isenburg/Köln – Der 12. Kölner KfH-Heimdialysekongress schloss am Wochenende mit einem Appell für mehr Patientenaufklärung und einer stärkeren Berücksichtigung der Heimdialyse in der neprologischen Ausbildung. Referenten aus fünf Nationen diskutierten mit Ärzten und Pflegekräften der Nephrologie (Nierenheilkunde) über den aktuellen Stand und die Zukunft der Heimdialyse – einer eigenständig vom Patienten durchgeführten Dialysebehandlung zu Hause. Der vom gemeinnützigen KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V. alle zwei Jahre ausgerichtete Kongress, ist der einzige medizinische Fachkongress in Europa, der sich ausschließlich mit den Heimverfahren befasst.
Mehr als 80.000 Menschen in Deutschland sind auf ein Nierenersatzverfahren angewiesen. Dank der Dialyse können diese Patienten überleben und auf eine Nierentransplantation hoffen – Wartezeiten von durchschnittlich acht Jahren sind dann die Realität. Der Erhalt der Lebensqualität nimmt für die Betroffenen massiv an Bedeutung zu. Die beste Möglichkeit zum Erhalt von Lebensqualität bietet die Dialyse zu Hause. In Deutschland ist die Heimdialyse mit einem Anteil von rund sechs Prozent das Schlusslicht im europäischen Vergleich zu durchschnittlich 14 Prozent.
Die Kongressbesucher erwartete ein breit gefächertes Programm, das neben medizinischen Inhalten auch betroffene Patienten im Rahmen einer Podiumsdiskussion aktiv mit einbezog. Besondere Aufmerksamkeit erregten Vorträge über den Stellenwert der Heimdialyse in Dänemark (28 Prozent) und dem „Schweizer Modell“, durch das sich der Anteil an Heimdialysepatienten, die mit der Peritonealdialyse behandelt werden, in der Schweiz binnen der letzten fünf Jahre auf 25 Prozent nahezu verdreifacht hat. Allerdings entstand diese Entwicklung nicht allein aus ärztlich getriebener Überzeugung, sondern durch die Einführung einer Malus-Regelung für Ärzte. Deutlich wurde im Kongressverlauf, dass die Patientenaufklärung über die verschiedenen Dialyseverfahren unter der fehlenden Erfahrung vieler Nephrologen zur Heimdialyse leide. „Wenn die nächste Generation an Nephrologen nicht bereits während der Ausbildung mit der Heimdialyse in Berührung kommt, wird den Patienten in der Folge eine wertvolle Therapiemöglichkeit unter Umständen vorenthalten“, erläutert Dr. med. Benno Kitsche, wissenschaftlicher Leiter des KfH-Heimdialysekongresses den fatalen Kreislauf. „Das war nicht immer so: Anfang der 1970er Jahre praktizierten nahezu 100 Prozent aller Dialysepatienten in Deutschland die Heimdialyse“, erinnert Dr. Kitsche und verweist auf die Gründung des KfH im Jahr 1969 als „Kuratorium für Heimdialyse“. Es müsse daher sowohl an der Ausbildung für Ärzte und Pflegekräfte als auch der Patientenaufklärung über die individuellen Vorteile gearbeitet werden, um die Heimdialyse in Deutschland erneut zu kultivieren. Vor diesem Hintergrund hat das KfH im Jahr 2016 eine Heimdialyse-Offensive gestartet und Dr. med. Benno Kitsche als Beauftragten zur Weiterentwicklung und Förderung der Heimdialyse im KfH berufen.
„Für Deutschland ist klar zu erkennen, dass der demografische Wandel Ärzte, Kostenträger und Industrie schon heute zum Umdenken zwingt“, ergänzt der KfH-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. med. Dieter Bach. Die sinkende Zahl der Nephrologen in Deutschland stehe einem steigenden Alter multimorbider Patienten gegenüber. Schon heute sei jeder fünfte Patient im KfH zu Beginn einer Dialysebehandlung (Erstdialyse) älter als 80 Jahre. „Hier werden Ansätze wie beispielsweise die assistierte Heimdialyse zum Tragen kommen“, so Prof. Bach weiter. Auch die Industrie reagiere bereits mit innovativen Gerätetypen, die eine Dialyse zu Hause noch einfacher machen werde.
In diesem Zusammenhang verwies der KfH-Vorstandsvorsitzende auf ein beeindruckendes Beispiel am Rande des Kongresses: Ein mit dem Wohnmobil angereister schwedischer Dialysepatient zeigte interessierten Besuchern, wie er mit dem neuartigen mobilen Hämodialysegerät einfach und schonend sogar im Wohnmobil dialysiert.
„Primär sind wir dem Patienten verpflichtet“, ergänzt KfH-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. med. Dieter Bach. Für diesen bietet die Heimdialyse im Gegensatz zur klassischen Zentrumsdialyse die Möglichkeit, ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen zu können und sich eine maximale zeitliche Flexibilität im Alltag zu erhalten. „Das ist ein wertvolles Thema. Wir wollen die Heimdialyse nach vorne treiben. Die Vorteile müssen herausgestellt werden.“, betont der KfH-Vorstandsvorsitzende. Mit der Forderung nach einer „Kultur für Heimdialyse“ mache das KfH heute einen weiteren Vorstoß, diese in Deutschland aktuell gering verbreitete Möglichkeit der Nierenersatztherapie auszuweiten.