15. August 2018
Lob von Hauptverband und Wirtschaft für AUVA-Sparpaket, Kritik von Opposition
430 Millionen sollen eingespart werden. Die Sozialministerin spricht von der „größten Strukturreform der Zweiten Republik“, die Opposition von „Taschenspielertricks“
(ANÖ/APA). Wien – Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) bleibt erhalten. Es sollen auch keine Unfallspitäler oder Reha-Einrichtungen geschlossen werden. Das sieht das Reformkonzept vor, das Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) am Montag mit AUVA-Obmann Anton Ofner und ÖVP-Klubchef August Wöginger vorgestellt hat. Das Papier muss noch am 21. August vom AUVA-Vorstand beschlossen werden. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat am Montag gemeinsam mit ÖVP-Klubchef August Wöginger und Anton Ofner, dem Obmann der AUVA, die Reformpläne präsentiert. Die AUVA bleibt bestehen und kein Spital soll geschlossen werden.
Gespart soll demnach vor allem in der Verwaltung werden. Es soll keine Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen geben. Bei Ärzten und Pflegern soll es keine Personalkürzungen geben. Das Leistungsangebot bleibe in vollem Umfang bestehen, hieß es. Von den ursprünglich geforderten 500 Millionen soll die AUVA nun 430 Millionen Euro einsparen. Davon sollen 135 Millionen in der Verwaltung und durch Kooperationen hereingebracht werden und 295 Millionen aus Querfinanzierungen von versicherungsfremden Leistungen, die die AUVA derzeit erbringt.
Reduktion von 21 auf fünf Sozialversicherungsträger
Bei Letzteren geht es einerseits um die Entgeltfortzahlungen für Arbeitnehmer in Klein- und Mittelbetrieben bis 50 Mitarbeiter und andererseits um die zu hohen Zahlungen für in anderen Spitälern behandelte Arbeitsunfälle sowie um die zu gering vergüteten Freizeitunfälle in AUVA-Häusern. Dafür sollen gesetzliche Maßnahmen dann beschlossen werden, wenn die aus den neun Gebietskrankenkassen zusammenzulegende Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) zu den entsprechenden Einsparungen in der Lage ist. Die Regierung geht davon aus, dass mit der Zusammenlegung der 21 Sozialversicherungsträger auf fünf (inklusive AUVA) bis Ende 2023 insgesamt eine Milliarde Euro einzusparen ist. Noch bevor die Regierung die konkreten Pläne für die AUVA präsentiert hat, sind an vielen AUVA-Standorten Betriebsversammlungen abgehalten worden. Der Ärger bei den Mitarbeitern ist trotz des Weiterbestands groß.
Von den anderen 135 Millionen Euro sollen 100 Millionen ab 2019 in der Verwaltung eingespart werden, weil dann der Unfallversicherungsbeitrag schon von 1,3 auf 1,2 Prozent gesenkt wird. Die weitere Senkung auf 0,8 Prozent erfolgt später. Die Senkung der Verwaltungskosten soll erreicht werden, indem 300 der gut 1.500 Mitarbeiter in der Verwaltung in den kommenden sechs Jahren nicht nachbesetzt werden. Ärzte und Pflegepersonal sind davon nicht betroffen. Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen soll es nicht geben. Zu einer schlankeren Verwaltung sollen auch ein gemeinsamer Einkauf, eine einheitliche IT und ein gemeinsames Personalmanagement beitragen.
Keine Privatisierung geplant
Laut der Presseunterlage ist zwar keine Privatisierung der AUVA geplant, allerdings soll es eine österreichweite Betriebs-GmbH unter einem Dach mit einem zentralen Trägermodell geben. Diese soll eine 100-prozentige Tochter der AUVA sein. Alle Unfallkrankenhäuser sollen – wie bereits die Reha-Zentren – gleich geführt und organisiert werden. AUVA-Obmann Ofner will dem Vorstand empfehlen, das Paket am 21. August anzunehmen. Es hebe nicht nur Effizienzpotenziale, sondern verbessere auch die Versorgung der Patienten. Sowohl Hartinger-Klein als auch Wöginger betonten, dass es sich dabei um keine Gesundheits-, sondern eine Strukturreform handle.
Die beiden Regierungsvertreter erläuterten, dass von den derzeit 21 Trägern mit der Beibehaltung der AUVA künftig fünf übrigbleiben werden. Für Hartinger-Klein handelt es sich um die „größte Strukturreform der Zweiten Republik“. Sie gab auch eine „Leistungsgarantie“ für die AUVA-Patienten ab.
Sowohl die Sozialministerin als auch der ÖVP-Klubobmann appellierten an die SPÖ und die Gewerkschaften, ihre „Angstmache“ zu beenden. Wöginger betonte, dass man Falschmeldungen und Unwahrheiten entschieden entgegentrete. Beide versicherten, dass es keine Leistungseinschränkungen und keine Schließung von Spitälern geben werde. Man senke die Kosten in der Verwaltung, dadurch werde mehr bei den Patienten ankommen.
„Sehr, sehr guter Tag für Sozialversicherungssystem“
Die Sozial- und Gesundheitsministerin sprach denn auch von einem „sehr, sehr guten Tag für das österreichische Sozialversicherungssystem“. Die Lösung sei im Sinne der Patienten. Die Verhandlungen seien teilweise nicht leicht gewesen. Dem pflichtete auch Ofner bei. Angesichts eines Gesamtbudgets von 1,4 Milliarden sei das Einsparungsziel von 500 Millionen durchaus „herausfordernd“ gewesen.
Hauptverbands-Chef Alexander Biach nannte die vorgelegten Pläne „realitätsbezogen und partnerschaftlich“. Er hofft allerdings bei der weiteren Umsetzung auf einen künftig verbesserten Dialog mit den Sozialpartnern. Der Hauptverbands-Chef pocht darauf, dass die gesetzlichen Maßnahmen für weitere Beitragssenkungen nicht zu Lasten anderer Systempartner erfolgen dürfen. „Es ist gut, dass klar dargelegt wurde, dass eine Verschiebung von aktuellen AUVA-Leistungen nur im Rahmen einer abgestimmten Gesamtlösung erfolgen kann.“
Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl sieht in den AUVA-Reformplänen den Beginn einer Diskussion über die Aufgaben des Staates. Es brauche den Anstoß, darüber zu sprechen, was ist die Grundversorgung und was werde nicht gezahlt, erklärte er am Rande eines Hintergrundgesprächs gegenüber Journalisten. Riedl merkte weiters an, dass Reformdebatten in Österreich immer gleich verlaufen: Zwar fordere jeder Reformen, dies aber nur, so sie ihn nicht selbst betreffen.
Proteste gegen die geplanten Maßnahmen.
Von der Opposition kam scharfe Kritik. Während SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher von einem „waghalsigen AUVA-Finanzierungsgebäude für die Abgabensenkung der Wirtschaft“ sprach und ein „unwürdiges Hütchenspiel“ auf dem Rücken der Patienten sah, kritisierten die Neos eine „mutlose Nullnummer“ und die Liste Pilz eine „AUVA-Reform-Maus“. Lob gab es hingegen vom Wirtschaftsbund.
SPÖ: „Unwürdiges Hütchenspiel“
Für Lercher mangelt es an Klarheit: „Hier von Transparenz zu sprechen ist der reinste Hohn“, erklärte er. „Da soll irgendwann, wann genau, wird nicht gesagt, von einem Topf in den anderen umgeschichtet werden, und zum Schluss stellt sich doch die Frage: Wer soll das bezahlen?“ Die Antwort sei aber ohnehin „ganz klar“: Das „unwürdige Hütchenspiel“ finde auf dem Rücken der Patienten statt – „und die werden es auch sein, die schlussendlich mit Leistungskürzungen das Abgabenzuckerl finanzieren“. Das „AUVA-Kürzungspaket“ sei „ganz offensichtlich vom Wunsch des Konzernkanzlers“ getragen, „seinen Großspendern einen Gefallen zu tun“. Außerdem sei grundsätzlich der „künstlich generierte Megasparzwang in Zeiten der Hochkonjunktur“ zu hinterfragen.
Trotz aller anderslautenden Beteuerungen werde es zu Leistungskürzungen kommen, so Lercher. „Wenn das AUVA-Paket nicht mit Zauberei, sondern mit Adam Riese zu tun hat, kann das nur auf Kosten der Leistung gehen. In dem Fall entweder bei den Krankenkassen oder eben bei der AUVA.“
Neos: „Taschenspielertricks“
Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker sah sich in seiner Kritik bestätigt: Von der „breitspurig angekündigten Reform“ würden nur „ein paar nett klingende Schlagwörter und wenig Konkretes“ übrigbleiben. Die Kosten würden letztlich „von der AUVA nur zu den Krankenkassen verschoben“ – das ändere zwar die Bilanzzahlen der Unfallversicherung, „gespart wird damit aber nichts“, so Loacker. „Die Österreicherinnen und Österreicher haben sich eine ernsthafte Gesundheitspolitik verdient, nicht solche Taschenspielertricks.“
Liste Pilz: „Reform-Maus“
Kritik übte auch die Liste-Pilz-Abgeordnete Daniela Holzinger: „Der Berg kreißte und gebar eine AUVA-Reform-Maus“, meinte sie. „Das ist kein guter Tag für das österreichische Sozialsystem, wie die Ministerin Hartinger-Klein behauptet hat, sondern ein Tag, an dem alle beteiligten Seiten einfach nur versucht haben, ihr Gesicht zu wahren. Denn statt einer Reform, wie angekündigt, werden Geldflüsse zwischen den Krankenkassen umgeleitet und Stellen nicht nachbesetzt.“ Die angepeilte Senkung der Arbeitgeberbeiträge um 0,5 Prozentpunkte sei „willkürlich und unsinnig“.
Lob vom Wirtschaftsbund
Lob gab es hingegen vom ÖVP-Wirtschaftsbund: „Nach dem heute von der Bundesregierung präsentierten Reformpakt ist die AUVA auf einem guten Weg.“ Sehr zu begrüßen sei das Bekenntnis der Regierung, die Lohnnebenkosten für Österreichs Betriebe zu senken, erklärte Wirtschaftsbund-Generalsekretär René Tritscher. Denn die Betriebe würden schon jetzt einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung des Gesundheitswesens leisten. „Dieser heute von der Regierung vorgelegte Reformpakt kann damit als äußerst positives Signal für Österreichs Betriebe, Versicherte und AUVA-Mitarbeiter angesehen werden“, so Tritscher. Auch der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer, begrüßte, dass der Reformkurs der AUVA nun gestartet werde. Für ihn ist es unverzichtbar, dass sich die Unfallversicherung auf ihre Kernaufgaben konzentriert und Fremdleistungen sowie Querfinanzierungen abgebaut werden. Ebenso wie Neumayer begrüßte auch Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf die Senkung der Lohnnebenkosten durch die Reduzierung des Unfallversicherungsbeitrages von 1,3 auf 0,8 Prozent, wovon die Industrie und die Wirtschaft profitieren. „Mit dem Reformplan ist die AUVA ein Vorbild und ein gutes Beispiel dafür, dass mutige Reformen allen Beteiligten nützen“, meinte Kopf.